Da ist er also. Der Brief. Auf Twitter wurde es ja schon angekündigt, dass ich einen Brief vom Team Stronach bekommen werde. Crossmediamarketing kommt also erstmals in der politischen Wahlwerbung zum Einsatz.
Neben dem eindeutigem Hinweis auf den Absender prangt da noch größer ein “Sag es Frank!” außen am Kuvert. Der Brief selber beginnt mit den typischen Stronachschen Aussagen, dass es den Politikern nur um Machterhalt gehe und er eben – politisch und wirtschaftlich – unabhängig sei. Der Rest des Briefes ist typisches Politikergeschwurbel im Wahlkampf. Man wolle etwas verändern. Man verstehe aus diesem oder jenem Grund die “Ängste und Sorgen” der Bürger. Man kritisiert – als Nicht-Regierender – logischerweise die Zu- und Umstände im Land.
Highlight -im fragwürdigen Sinne – ist die folgende Passage:
Kaum jemand weiß, dass Niederösterreich die höchsten Schulden von allen Bundesländern hat. Viele Menschen fragen mich: Wo soll das hinführen?”
Würde man auf eine Erklärung warten, warum “Viele” nach den Folgen von etwas fragen, wo es doch “kaum jemand weiß” käme Godot wahrscheinlich lange vorher.
In diese Kategorie passt auch der Ausdruck der Freude, “wenn wir uns beim nächsten Besuch in Mistelbach persönlich kennenlernen”. Wann das sein soll, erfährt man nicht. Weder im Brief, denn da wird man nur auf teamstronach.at verwiesen. Und dort findet man keinen Termin in Mistelbach. Auch google liefert keine Ergebnisse, dass Stronach schon in Mistelbach (“beim nächsten Besuch”!) gewesen sei.
Was ist nun daran “Crossmediamarketing”? Nun, da Stronach nach Eigenaussage ein “gutes Verständnis für die Ängste und Sorgen vieler Bürger” hat, bittet er, ihm zu sagen, was einem wichtig ist. Man erhält dazu auch einen Link zu einer Subseite der Domain mit bezeichnenden Namen sag-es-frank.at, die Subseite setzt sich aus dem Namen und einer Zahl zusammen.
Versucht man die Domain ohne Subseitenzusatz aufzurufen, so erhälterhielt man bis gestern einen Fehler und die Aufforderung doch die richtige Subseite anzugeben. Mittlerweile erhält man ein Kontaktformular und kommt dann auch zum Fragebogen.
Tja, und dann ist der Fragebogen. Zum einen sind die Antworten über die personalisierte Subseite natürlich dann auch ganz direkt einer Person zuordenbar. Zum anderen ist das Motto “Sag es Frank” etwas, hmmm, da man “nur” Fragen beantworten kann. Und was für Fragen. Nona, ist ein Hilfsausdruck.
Sinngemäß und etwas verkürzt:
- Sind Sie für ein Spekulationsverbot mit Steuergeldern?”
- Sind Sie gegen Parteibuch- und Freunderlwirtschaft?”
- Finden Sie es fair unseren (sic!) Kindern gegenüber Schulden zu machen?”
- Sind Sie für strengste Korruptionsgesetze?”
- Sind Sie dafür die weltweit höchste Parteienförderung zu kürzen?
Wie es dann weitergeht, weiß ich nicht, ich habe kapituliert.
Die Personalisierung durch die Subseite dürfte allerdings nur soweit gehen, dass die Fragen auf das jeweilige Bundesland leicht adaptiert wurden, aber de facto dieselben Fragen bleiben. So lautet zum Beispiel die niederösterreichische Version der dritten Frage:
Niederösterreich ist das am höchsten verschuldete Bundesland in Österreich. Finden Sie es fair unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber weitere Schulden zu machen?
Die Kärntner Version lautet:
Der Schuldenberg in Kärnten wächst weiter und weiter. Finden Sie es fair unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber weitere Schulden zu machen?
Kurzum: Ich erhalte einen Brief mit typischen Wahlwerbeaussagen, darf (soll?) einen im Brief abgedruckten, personalisierten Link in den Browser tippen. Personalisiert bedeutet dabei allerdings offenbar nur, dass die Fragen praktisch ident blieben, die Antworten aber einer konkreten Person zuordenbar sind. Und die Fragen sind eben, naja. Würde man sie mit jenen der kommenden Wiener Volksbefragung mischen, würde man keinen Unterschied kennen. Und all das unter dem Motto “Sag es Frank”.
Und das alles ist nun, das supertolle, neue, erstmalige Crossmediamarketing in der politischen Wahlwerbung?
Nachdem im gesamten Brief nirgends Wahrheit, Transparenz, Fairness vorkommt, wurde damit letztlich doch noch der WTF-Moment geschaffen.
Zu guter Letzt: Was der Titel mit all dem zu tun hat? Ich frage mich, ob der Satz “Gerade Menschen in Ihrem Alter haben oft mit großen Sorgen zu kämpfen” bei allen Briefen enthalten ist, oder tatsächlich altersmäßig selektiert, nur bei einem Teil der Adressaten erscheint.