Wahlberichterstattung

Vor wenigen Tagen hat Apple die letzten Quartalszahlen veröffentlicht. Apple meldet neue Rekordwerte, trotzdem sinkt der Aktienkurs, bzw. verfällt muss man mittlerweile sagen. Die Deutsche Welle schreibt zum Beispiel:

Im Weihnachtsquartal ist der kalifornische Elektronikkonzern so viele iPhones und iPads los geworden wie niemals zuvor. Doch Analysten hatten (noch) mehr erwartet – was sich promt negativ an der Börse bemerkbar machte.

Es geht also – so die gängigste Erklärung für die Kursentwicklung – nicht darum, ob das Ergebnis gut oder schlecht war, sondern ob es besser oder schlechter als die Erwartungshaltung war.

Das veranlasst den ZIB2-Anchorman und österreichischen “Twitterkönig” Armin Wolf zum folgenden Vergleich:

Szenenwechsel

Wir dürfen heuer wieder wählen. Mehrfach. Im Herbst steht die Nationalratswahlen an, so es nicht noch zu vorgezogenen Wahlen kommt. Davor sind noch die Landtagswahlen in Kärnten, Niederösterreich (jeweils 3.3.), Tirol (voraussichtlich April) und Salzburg (5.5.) durchzuführen. Bleiben wir bei der Nationalratswahl.

Wer werden dann am Wahltag (in Radio und Fernsehen) und in den folgenden Tagen (in den Tages- und Wochenzeitungen) eine Fülle an Wahlberichtserstattung, Analysen durch Journalisten und Politiker, Kategorisierungen in Sieger und Verlierer erleben. Glaubt man den aktuellen Meinungsumfragen[1][2][3], so ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Regierungsparteien trotz allem (noch) vor (allen) Oppositionsparteien bleiben werden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden in diesen Analysen aus heutiger Sicht die Regierungsparteien wohl zu Verlierern, (Teile der) Oppositionsparteien zu Siegern erklärt. Angesichts der vier Landtagswahlen werden wir auch Gegenüberstellungen von Landesergebnissen bei der NR-Wahl zu den jeweiligen Parteiergebnissen bei den Landtagswahlen sehen, und Politiker werden mit Fragen konfrontiert werden, warum die Bundespartei schlechter oder besser abgeschnitten hat. Ziel ist dabei zumeist die Frage ob die Bundespartei gegenüber der Landespartei (bzw. die jeweiligen Spitzenkandidaten) verloren (oder gewonnen) hat.
Und je nach Wahl und Situation wird sich der eine oder andere Politiker auch mit Verbesserungen gegenüber Umfragen rühmen, insbesondere dort, wo (kurz) vor der Wahl eine Neuordnung in den Führungsgremien (zB ÖVP in Kärnten), ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich jemand mit Argumenten a la “als ich die Partei übernommen habe, waren wir in Umfragen bei …, jetzt bei der Wahl sind wir deutlich besser” zum “Sieger” erklärt.

Wenn die NR-Wahl zum Beispiel ein Ergebnis derart 1. SPÖ, 2 ÖVP, 3. FPÖ, 4. Grüne mit Stimmenverlusten für SPÖ und ÖVP und Gewinnen für FPÖ und Grüne bringt, so werden in allen Analysen SPÖ und ÖVP zu Wahlverlierern, FPÖ und Grüne zu Wahlsieger erklärt.

Und ich werde mich am Wahltag (und in den folgenden Tagen) wieder über diese Kategorisierung wundern. Warum?

Nun, die Wahl entscheidet über die Zusammensetzung des Nationalrates für die nächsten 5 Jahre. Nach der “österreichischen Realverfassung” wird die stimmenstärkste Partei (und nicht die zweit-, dritt- oder viertstärkste) zuerst mit der Regierungsbildung beauftragt[4]. Die stimmenstärkste Partei stellte in der Vergangenheit auch den Bundeskanzler[5]. Die Mandats-/Stimmenstärke entscheidet über Klubförderung, Parteienfinanzierung, Sitze in Aussschüßen, etc. etc.

Mit anderen Worten: Mehr Stimmen für eine Partei heißt, mehr Geld und (in der Regel) mehr Umsetzungs- bzw. Gestaltungsmacht für die Partei. Wobei “mehr Stimmen” “mehr Stimmen zur Wahl” heißt, und nicht “mehr Stimmen als letztes Mal”. Oder anders formuliert: Eine Partei, die 25% der Stimmen bekommt, bekommt die nächsten 5 Jahre jenes Geld und Rechte, die 25% (Stimmen bzw. Mandaten) entsprechen. völlig egal, ob sie bei der Wahl vor 5 Jahren 35% oder 15% hatte.

Wenn die gestalterische Zukunft durch das Ergebnis zur Wahl und nicht durch die Veränderung zur vorherigen Wahl bestimmt wird, warum wird dann nicht auch die Kategorisierung in Gewinner/Verlierer anhand des Ergebnisses der Wahl durchgeführt?
Warum ist also nicht der Stimmen-/Mandatsstärkste auch Sieger, sondern – im obigen Beispiel – der dritte und der vierte? [6]

Dank Armin Wolf, um damit zur Einleitung zurückzukommen, kann ich das nun kurz und prägnant formulieren:

Die Wahlberichterstattung funktioniert so, als würden der heutige Abfahrtslauf auf der Streif danach entschieden, wer sich am meisten

  • im Vergleich zur vorjährigen Abfahrt auf der Streif (-> Vergleich NR-Wahl), oder
  • im Vergleich zur letztwöchigen Abfahrt in Wengen (-> Vergleich zu Landtagswahlen) oder
  • im Vergleich zum Trainingslauf (-> Vergleich zur Umfrage)

verbessert hat.

  1. [1]z.B. aktuelle Profilausgabe: S (27), V(26), F(21), G(13), TS(7), BZÖ(2)
  2. [2]Bei oe24.at ist das Umfrageergebnis ähnlich: S (27), V(25), F(21), G(13), TS(9), BZÖ(1)
  3. [3]natürlich sind die Schwankungsbreiten und die Änderungen bis zum Wahltag zu berücksichtigen
  4. [4]natürlich heißt das noch nicht, dass diese auch gelingt
  5. [5]Ausnahmen bestätigen die Regel
  6. [6]Natürlich sind Analysen über Entwicklungen interessant und parteiintern wahrscheinlich notwendig, aber nur (!) danach Sieger und Verlierer zu kategorisieren?
Dieser Beitrag wurde unter Meinungen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.